Kommunalwahl NRW 2020: Abschaffung der Stichwahl unzulässig

Am 20.12.2019 sprach das Verfassungsgericht des Landes Nordrhein-Westfallen sein Urteil (Aktenzeichen: VerfGH 35/19) zu der politisch stark diskutierten Frage, ob die Abschaffung der Stichwahl bei Bürgermeister- und Landratswahlen mit der Landesverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen vereinbar ist.

 

Nach § 46 c Abs. 1 S. 2 KWahlG NRW (in der Fassung aus dem Jahr 2019) ist als Bürgermeister oder Landrat gewählt, wer von den gültigen Stimmen die höchste Stimmenzahl erhalten hat. Hierbei sollte nach dem Willen der schwarz-gelben Mehrheit im Landtag unerheblich sein, ob der Kandidat nur eine relative oder sogar eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht hat. Die Wahl allein im Verfahren der relativen Mehrheitswahl ermöglicht den Wahlsieg mit Ergebnissen, welche deutlich unter der Marke von 50 Prozent der Stimmen liegen können. Insoweit ist anzumerken, dass die Landesregierung Rüttgers im Jahr 2007 diese Vorgehensweise bereits einmal schon so geregelt hatte. Diese damalige gesetzliche Regelung fand auch die Zustimmung des Landesverfassungsgerichtes (vgl. Urteil vom 26.05.2009, Az. VerfGH 2/09). Allerdings erfolgte 2011 nach Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse eine Rückkehr zur Stichwahl. Für den Fall, dass kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegeben Stimmen auf sich vereinigt hatte, war demnach wieder eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten vorgesehen.

Diese Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten sollte also nach dem Wunsch der schwarz-gelben Landesregierung erneut wegfallen, als diese im Jahr 2019 § 46 c KWahlG NRW neufasste.

 

Das Verfassungsgericht des Landes NRW hielt diese Neuregelung diesmal für unvereinbar mit der Landesverfassung. Für die verfassungsrechtliche Bewertung der Abschaffung der Stichwahl finden sich in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung die Maßstäbe des Mehrheitsprinzips und der politischen Chancengleichheit, die beide unmittelbar mit dem Prinzip demokratischer Legitimation zusammenhängen. Denn je mehr Bewerber um Bürgermeister- und Landratsposten eine weit von der absoluten Mehrheit entfernte relative Mehrheit erreichten, umso stärker wird nach Auffassung der Verfassungsrichter das demokratische Prinzip der Mehrheitswahl tangiert. Die siegreichen Kandidaten verlieren im Ergebnis an demokratischer Legitimation. Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung:

 

„Mit Blick auf den Zustimmungsgrad kommt das Demokratieprinzip grundsätzlich bestmöglich zur Geltung, wenn für eine Entscheidung eine absolute Mehrheit erzielt wird, weil es sich nur in diesem Fall tatsächlich um eine Minderheit handelt, die sich dem Mehrheitswillen unterwerfen muss. Dies gilt jedenfalls für Personenwahlen, bei denen mehr als zwei Kandidaten bzw. Kandidatinnen zur Auswahl stehen. Bei Abstimmungen über Sachfragen kann dagegen durch die Beschränkung der Auswahloptionen auf Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung auch bei Genügen einer relativen Mehrheit keine Entscheidung gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Mehrheit zustande kommen.“

 

Die einstufige Direktwahl mit relativer Mehrheit führt demnach nicht zu einer Stärkung demokratischer Legitimation und trägt dem Demokratieprinzip nicht ausreichend Rechnung. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat zudem bei Abschaffung der Stichwahl die in diesem Zusammenhang bedeutsame zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft nicht ausreichend in den Blick genommen. Diese Zersplitterung bewirkt nämlich, dass die Wahrscheinlichkeit, eine absolute Mehrheit im ersten Wahldurchgang zu erreichen, immer geringer wird.

 

Im Ergebnis bedeutet dies, es findet auch im Herbst 2020 wieder ein zweiter Wahlgang zwischen den beiden Bestplatzierten der Kommunalwahl statt, es sei denn ein Kandidat erreicht bereits im ersten Durchgang die absolute Mehrheit.

 

Bei sämtlichen Fragen zum Kommunalrecht oder rund um das Thema Kommunalwahl Nordrhein-Westfalen 2020 steht Ihnen Rechtsanwältin Michaela Strake gerne zur Verfügung.